Weltliches


Der Weltgeist saugt euch,
wie die Spinne den Mücken,
das Hirn aus1).



Die Form aber
nützt nichts.



Alles Streben
in der Welt
geht auf Genuss.
Und das will man
auch hinüber nehmen
ins Geistliche.2)



Manchmal
möchten wir gerne
bloß deswegen
demütig sein,
dass wir
von den Leuten
für demütig
angesehen werden.
Das ist auch
Hochmut.



Der Mensch treibt sich
in der Vielheit herum. 3)



Der Hunger
des Menschen
ist unersättlich.
Wenn man ihm
die ganze Erdkugel
gäbe,
so wäre es gerade,
wie wenn man
eine Erbse
in einen Scheffelsack
fallen ließe.



Der Christ
darf alles haben,
nichts aber
soll ihn haben.



Der Geizige
hat gar nichts,
alles hat ihn.
Er darf
keinen Kreuzer hergeben
und er ist immer arm,
sobald er etwas
hergeben soll.



Wie viel
verderben wir
unsere Kraft
durch unser Sehen,
Hören, Riechen,
Schmecken und Fühlen?



Ein Empfänger
kann geizig sein
wie der Geber,
wenn ihm nämlich
die Gabe
nicht groß genug ist.



Es gibt
viele Erdenschweine
auch unter den Christen;
diese durchwühlen
Erde und Steine.
Und was ist ihr Zweck
von Anfang an?
Dass sie ihren Bauch
befriedigen!



Eine
eigentliche Sucht
ist es
unter den Menschen,
wohlfeil einzukaufen.
Dadurch wird
der Segen
verbannt.
Wer teuer einkauft,
der tut viel besser;
das ist
ganz gewiss.4)



Wir wollen
vor der Zeit
groß sein,
auf einmal
alles erlangen,
im Geistlichen
reich werden.
Das ist auch
Geiz.5)



Wer einen Menschen
sich unterordnen,
wer ihn beherrschen will,
der begeht einen Eingriff
in seine Würde,
in seinen Adel,
denn die Würde des Menschen,
welcher sich bekehrt,
erhöht sich zum Adel.
Und in diesen Adel
greife ich ein,
gegen diesen handle ich,
wenn ich den Menschen
an seiner freien Wahl
hindere.



Wo sind die Kräfte
deines Leibes
und deiner Seele,
deine Sinne und Gedanken
hingekommen?
Stecken sie
vielleicht
in deinem Beruf?



Ein mancher
gäbe aus Neid oft
gern ein Auge her,
wenn nur der andere
blind wäre.



© Ralf Rabemann

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1) „Die Welt saugt den Geist aus den Menschen, so wie die Spinne den Körper aus der Fliege saugt.“ (Ralph Waldo Emerson)
2) „Der Mensch muss lernen, bei allen Gaben sein Selbst aus sich heraus zu schaffen und
nichts Eigenes zu behalten und nichts zu suchen, weder Nutzen noch Lust, noch Innigkeit,
noch Süßigkeit, noch Lohn, noch Himmelreich, noch eigenen Willen.“
(Meister Eckhart)
3) „Nichts hindert die Seele so sehr an der Erkenntnis Gottes wie Zeit und Raum.
Zeit und Raum sind Stücke, Gott aber ist Eines. Soll daher die Seele Gott erkennen,
so muss sie ihn erkennen oberhalb von Zeit und Raum.“
(Meister Eckhart)
4) „Denn jeder, der nach sich und seinem besonderen Profit trachtet, nimmt oder eher raubt einen Gewinn aus dem Schaden des anderen.“ (Johannes Calvin)
5) Manche Leute wollen Gott mit den Augen ansehen, mit denen sie eine Kuh ansehen.
Diese lieben sie wegen der Milch und des Käses und wegen dem eigenen Nutzens.
So halten es jene, die Gott um äußeren Reichtums oder inneren Trostes willen lieben.
Die aber lieben Gott nicht recht, denn sie lieben nur ihren Eigennutz.“
(Meister Eckhart)
texte/veroeffentlichungen/kolb-immanuel/weltliches.txt · Zuletzt geändert: 2023/03/24 03:29 von rabemann
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