Selbstbildnis mit Ei
Rabemanns Selbstbildnis entstand 1993 in Villach und ist ein interessantes Beispiel dafür, in welcher Art Rabemanns Denken, Sehen und Agieren von Symbolen, Analogien und Assoziationen geprägt ist.
Das Ei
Das Ei, das Rabemann in der Darstellung seines Portraits in der Hand hält, ist nicht nur eine schlichte Anspielung auf die hier angewandte Technik „Eitempera“.
Denn zugleich wird hier sowohl das Thema „Portrait“ als auch das abbildende Tun eines Künstlers ganz allgemein in Frage gestellt.
Authentizität
Der Künstler ging hier zunächst von dem Gedankengang aus, dass sein Selbstportrait ihn in seiner Gegenwart darstellen sollte, weil das Bild sonst Rückschau oder Einbildung von sich wäre. Da aber sein Tun zu diesem Zeitpunkt eben darin bestand, sein Portrait zu malen, so konnte das Selbstportrait seiner Meinung nach nicht anders authentisch sein, als dass er als Abbildender sich selbst beim Abbilden seines Abbildes abbildet. Damit aber muß zugleich auch das Bild zum Bild des Bildes werden, wie man im folgenden sehen wird…..
Der Verweis auf das Ei
Rabemann wurde diesem Inhalt in der Weise gerecht, dass er sich im Bild auf das Ei verweisen läßt, aus dessen Substanz sein Portrait in diesem Moment entsteht. Und der sinnvollste Moment schien ihm hier der Beginn der Bildwerdung zu sein, also beim Zerbrechen genau dieses Eies. Die so vollzogene „Einbeziehung“ dieses Eies hat es im wahrsten Sinn des Wortes in sich, denn die Geste seines Portraits verrät, dass es in Wahrheit nicht um das Bild seiner selbst, sondern um das Ei geht. (Oder genauer: um das Eihafte, das Eiähnliche in der Welt, im Leben, im Menschen und in sich selbst….).
Ei und Vogel in Rabemanns Kunst
So sind dann auch Ei und Vogel zentrale Symbole in Rabemanns Kunst. Und zwar sehr zentral - denn seinen Hauptkatalog leitet er z.B. mit diesen drei Zitaten ein:
„Und wisset, dass das Haupt der Kunst der Rabe ist,
der in der Schwärze der Nacht
und in der Helligkeit des Tages ohne Flügel fliegt“
(Rosarium Philosophorum)
„Der Vogel kämpft sich aus dem Ei.
Das ist die Welt.“
(Hermann Hesse)
“…da wuchsen mir die Flügel,
fortzuschweben in ferne Zukünfte“
(Friedrich Nietzsche)
Das sich selbst erschaffende Ei
So wird schnell zur Gewissheit, dass er im Bild mit der dargestellten Geste wirklich das Ei meint. Dies ist auch naheliegend, denn analog zum Vorgang, dass sich hier ein Künstler selbst malt, malt auch das Ei sich selbst in einer anderen Weise, denn es wird in einem anderen, „parallelen“ Sinne gemalt durch sich selbst, indem es in seiner Substanz von einem Künstler auf das Bild aufgebracht wird, um nicht nur diesen darzustellen, sondern auch sich selbst – eine Art phönixhaftes Entstehen aus sich selbst heraus also. Das Ei wird in seiner portraitierten Darstellung vom Künstler im Moment seiner Zerstörung dargestellt, die ja ohnehin seine naturgemäße Bestimmung zugunsten einer Neuwerdung ist und damit auch unbedingter Teil seiner selbst. In diesem Fall besteht die aus dem Ei hervorgehende Neuwerdung in abgewandelter Form, indem aus ihm nicht ein Vogel entsteht (aus dem wiederum das Ei als ein Bild seiner selbst hervorgeht), sodern aus ihm durch das Tun eines Künstlers ein Bild seiner selbst.
So lässt Rabemann sein Nachsinnen über die Themen Werden, Sein und Vergehen „in Ei“ Bild werden und reflektiert damit sich, sein Denken und seine Kunst.
Persönlicher Hintergrund
Das Bild entstand in einer Zeit, in der wesentliche Entwicklungsschritte stattfanden – er suchte in dieser Zeit Antworten auf Fragen wie: Wer bin ich?, Was entsteht durch mich?, Wer will ich werden?
Dies waren Fragen, die später dazu führten, dass er den Künstlernamen Rabemann annahm…….
© Ralf Rabemann